AKTION
Club LiterAUTur | Über den Tod hinaus
17. November 2024
Servus und willkommen, ihr Lieben, zum letzten Clubtreffen in diesem Jahr! Ich muss zugeben, dass mich unser aktuelles Thema beinahe dazu verführt hätte, ein Treffen à la "Club der toten Dichter" einzuberufen. Allerdings glaube ich nicht, dass bei dem kalten und unfreundlichen Nebel-Wetter der letzten Tage das wirklich eine gute Idee wäre, in einer Höhle im Freien und im Dunkeln zusammenzuhocken ...
Daher ziehe ich doch unsere Lesecouch im Stüberl vor, wo ihr - Gabi, Lisa und Nicole - es euch gemütlich machen und euch aufwärmen könnt. Und vergesst nicht, euch ein paar Maroni zu nehmen, ja? Die sind zwar noch ein bisschen heiß, aber dafür ganz frisch :). Wer sich traut, kann sich auch gern am Schilcher-Glühwein versuchen, den ich mittlerweile fast lieber mag als den normalen Glühwein oder Punsch (weil nicht so picksüß im Geschmack).
Wie schon im Titel erkennbar geht es heute um den Tod bzw. um den Einfluss, den bereits verstorbene Autor:innen auf uns ausgeübt haben, ganz in der Tradition von Allerheiligen / Allerseelen, wo ja viele von uns auf den Friedhof gehen, um der Toten zu gedenken. Und ich denke, ich spreche hier für alle, wenn ich sage, dass das auch persönlich eine gewisse Herausforderung war, sich mal wieder ein bisschen abseits der gewohnten Lesebahnen zu bewegen, oder?
Aber jetzt übergebe ich das Wort erst einmal an Gabi, die uns ein schon etwas älteres Buch mitgebracht hat. Der Name Leo Perutz war mir zwar durch den Krimipreis bekannt, aber dass er eigene Werke veröffentlicht hat, war mir auch nicht bewusst.
Der Name Leo Perutz ist mir ein Begriff. Allerdings in erster Linie als Namensgeber eines österreichischen Krimipreises, dessen Nominierte und Preisträger immer wieder mal im Club LiterAUTur diskutiert werden.
Mehr Infos zum Leo Perutz Preis gibt es hier: https://buecher.at/auszeichnungen/leo-perutz-preis/
Es lohnt sich in jedem Fall, immer mal einen Blick in die Liste der Nominierten und Preisträger zu werfen, die z. B. bei Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Leo-Perutz-Preis) aufgelistet sind.
Dass Leopold Perutz selbst auch ein Autor war, hatte ich bisher nur vage im Hinterkopf. Er starb 1957, neun Jahre vor meiner Geburt, und hat es in Bayern nicht bis zur Schullektüre gebracht. Es gab also nicht viele Berührungspunkte. Dass man aber einen durchaus bekannten Krimipreis nach ihm benannt hat, hat mich neugierig gemacht auf Leo Perutz und sein Werk.
Ich habe mir den Roman „Zwischen neun und neun“ herausgegriffen, der aus seiner produktivsten Schaffensperiode aus der Zeit nach dem ersten Weltkrieg stammt. Zwischen den Weltkriegen gehörte Leo Perutz zu den meistgelesenen deutschsprachigen Autoren.
In diesem Buch begleiten wir den Studenten Stanislaw Demba unter skurrilen Umständen durch Wien – zwischen neun Uhr morgens und neun Uhr abends. Er trifft ein buntes Sammelsurium von Menschen und Perutz lässt ihn mit Ironie und Spannung davon erzählen. Aber nicht nur sein Umfeld, auch Demba selbst ist auf interessante und unterhaltsame Art merkwürdig. Man fragt sich, was ihn veranlasst, sich so ungewöhnlich zu verhalten, ob er seine Umwelt täuscht oder sich selbst oder beides?
Meine Rezension gibt’s hier: https://laberladen.com/zwischen-neun-und-neun-von-leo-perutz
Für mich war Leo Perutz durch „Zwischen neun und neun“ eine überraschende Neuentdeckung. Die Mischung aus spannend, fantastisch und historisch gefällt mir sehr gut – auch wenn der Zeitgeist der k. u. k. Monarchie durch „Zwischen neun und neun“ weht, ist der Roman trotzdem auch zeitlos. Der dtv-Verlag hat Anfang der 2000er alle seine Romane in einer „Leo-Perutz-Edition“ aufgelegt und ich werde sicher nach und nach zu weiteren Perutz-Büchern greifen.
Liebe Gabi, ich danke dir, dass du uns so ausführlich diesen Autor näher gebracht hast - inklusive der Links! Da werde ich bestimmt noch einmal in Ruhe und ausführlich stöbern, denn deine Vorstellung hat mich echt neugierig gemacht.
Auch Lisa hat heute das Buch einer Autorin im Gepäck, die mir bis jetzt noch nichts gesagt hat. Dabei war sie offensichtlich auch schon Gast auf der Buchwien (unserer österreichischen Buchmesse). Das Cover finde ich auf jeden Fall interessant, die Kritzeleien geben dem Foto eine sehr spannende Note. Wäre ganz bestimmt ein Buch, dass ich deswegen mir näher ansehen würde :).
Das Thema "Über den Tod hinaus" zählt für mich zu den Firsts. Normalerweise hab ich bei unseren Themen schon eine Vorstellung, auch wenn eine sehr blasse, in welche Richtung es für mich geht. Dieses Mal musste ich zunächst recherchieren, welcher Autor beziehungsweise welche Autorin uns schon verlassen hat. Dabei bin ich auf Helena Adler gestoßen. Die Salzburgerin verstarb letztes Jahr nach einer schweren Krankheit. Kennt ihr drei die Autorin?
Mein heutiges Buch von Helena Adler ist "Die Infantin trägt den Scheitel links" aus dem Jahr 2020, welches im selben Jahr auf der Long List des deutschen Buchpreises beziehungsweise auf der Shortlist des österreichischen Buchpreises zu finden war.
In "Die Infantin trägt den Scheitel links" beschreibt Adler das Leben auf dem Bauernhof hoch oben auf den Bergen. Und das vor allem weit weg von der Almromantik à la Bergdoktor. Betrachtet man das Cover, dann bekommt man eine Ahnung, was den Leser auf knapp 192 Seiten erwartet. Wir Leser schlüpfen in die Rolle des jüngsten Sprosses einer Bauernfamilie und dürfen ihr beim Erwachsenwerden zusehen. Dazu zählen ihre Schwestern, Zwillinge, die ihr das Leben auf dem Hof zur Hölle machen, ein durchaus liebevoller Vater mit dem Hang zum Alkohol und einer verdammt bigotten und steifen Mutter. Mal abgesehen von den üblichen Differenzen zwischen der Familie am Berg und dem Rest der Dorfbewohner unten im Dorf.
Das Buch sticht meiner Meinung nach auf jeden Fall durch den Schreibstil hervor. Dieser ist sehr bildlich und nur so gespickt mit Metaphern. Aber auch sehr derb, frech und vor allem schonungslos. Aber auch ein wenig lustig. Das hat mir auf jede Fall ganz gut gefallen. Wer auf schwarzen Humor steht, der wird dieses Buch auch lieben.
Mir persönlich war das an manchen Stellen zu viel des Guten. Durch manche Kapitel flog ich regelrecht und bei manchen musste ich mich ein wenig durchkämpfen. Aber ich verstand, warum dieses Buch für die jeweiligen Buchpreise nominiert wurde. In Summe habe ich das Buch gern gelesen und es hat mich auch gut unterhalten.
Insgesamt hat Helena Adler vier Publikationen veröffentlicht, wobei die letzte („Miserere“) eine posthume Veröffentlichung war, die im Sommer diesen Jahres auf Platz eins der ORF Bestenliste zu finden war.
Ich habe die Autorin mal gegoogelt, gerade mal 40 Jahre ist sie alt geworden. Wie traurig, so jung schon wegen eines Gehirntumors zu sterben...
Nicole hat uns heute ein Buch von jemandem mitgebracht, an den ich mich auch noch sehr lebhaft erinnere. Die Todesmeldung liegt zwar schon einige Jahre zurück, kam aber zumindest für mich damals sehr plötzlich. Zwar waren Deix' Zeichnungen nicht immer nach meinem Geschmack, aber er war so etwas wie eine Institution in der Medienlandschaft Österreichs...
Wenn das Jahr zu Ende geht, es im Herbst immer kälter wird und langsam, aber sicher, der Winter vor der Tür steht, gedenkt man oftmals der Verstorbenen. Deshalb hat sich unser Club diesmal der verstorbenen Autorinnen und Autoren angenommen. Lange Zeit war ich blank. Ich hatte keine Idee, wen ich vorstelle, der auch tatsächlich mein jetziges Leseleben berührt. Früher habe ich viele österreichische Autor:innen - u. a. Johannes Mario Simmel und Christine Nöstlinger - gelesen. Doch all meine jetzigen Favoriten weilen zum Glück unter uns.
Nach langem Überlegen habe ich mich für ein ungewöhnliches Buch und einen österreichisches Urgestein entschieden: "Tierwelt. Katzen & Co." von Manfred Deix, welcher 2016 gestorben ist. Zwar handelt es sich um keinen gewöhnlichen Roman, sondern eher um einen Kunstband, doch den Deix sollte man kennen, wenn man sich für Österreich interessiert.
Bei Manfred Deix handelt es sich um einen Karikaturisten, Autor sowie Kabarettisten mit internationalem Erfolg. Seine Werke zierten, neben österreichischen Printmedien, auch den Stern und Spiegel, und es wurde ihm sogar eine Professur angeboten.
Für mich ist Manfred Deix ein Künstler, ein österreichisches Urgestein, das mit derber Eleganz durch Bilder und Gedichte das Leben erzählt.
In "Tierwelt. Katzen & Co." veröffentlicht Manfred Deix Karikaturen der Tierwelt. Vertreten sind Katzen, Fische, Vögel und Hunde, die in seiner unvergleichlichen Manier zu Deixen geworden sind.
Der Künstler, Autor und Cartoonist Manfred Deix ist österreichweit für seine "Deixen" bekannt. Hierbei handelt es sich um Karikaturen in unverkennbaren, subversivem Stil. Er provoziert mit auffallend derbem Fäkal-Humor, häufig sexuell intoniert, dabei aber in verniedlichter Form zugespitzt.
Amüsant und herausfordernd widmet er sich in diesem Werk der Freundschaft zwischen Mensch und Haustier. Er verneigt sich davor, dass unsere wohlgeschätzten Fellnasen vielmehr als eine Begleiterscheinung gemütlichen Wohnens, sondern Familie sind.
Der Deix - wie er kurz und prägnant in Österreich genannt wird - hat zu seinen Lebzeiten für allerhand Lacher, Ärger und Aufsehen gesorgt. Dabei ist es schön, aus jetziger Perspektive seine Werke zu bewundern, darüber zu sinnieren und sie an Interessierte weiterzuempfehlen.
Manfred Deix wurde am Wiener Zentralfriedhof beerdigt. Das Ehrengrab wird vom "Katzenkönig", der auf dem Cover abgebildet ist, geziert.
Wenn ihr noch mehr wissen wollt: Nicole hat hier auf ihrem Blog eine ausführliche Rezension zu dem Buch online gestellt.
Kommen wir zu guter Letzt zu meinem eigenen Beitrag zum Thema. Ich hatte die Autorin schon einmal für ein früheres Thema ins Auge gefasst, hatte mich damals aber für ein anderes Buch entschieden. Nichtsdestotrotz ist sie - denke ich - für viele meiner Generation ein gewisser Begriff, da sie wirklich eine sehr lange Zeit Bücher für junge Leser:innen geschrieben hat, in denen sie alte Sagen und Mythen ein neues "Kleid" gegeben hat.
Ich glaube, ich habe auf meinem Blog schon mehrmals darauf hingewiesen, dass ich vor allem als Kind sehr viele Märchen, Mythen und Sagen dank unserer Stadtbibliothek verschlungen habe. Besonders Auguste Lechners Adaptierungen von altdeutschen Sagen und griechischer Mythologie haben es mir dabei so sehr angetan, dass ich am Ende alles ausgeliehen habe, wo ihr Name draufstand.
Die Autorin hat bereits in den 1950er Jahren angefangen, erste Bücher herauszubringen und hat bis kurz vor ihrem Tod im Jahr 2000 immer noch geschrieben. Heute sind einige ihrer Stoffe ein wenig umstritten, da Auguste Lechner relativ unreflektiert die Stoffe in eine modernere Sprache übertragen hat. Trotzdem werde ich ihr immer dankbar sein, denn sie hat mich an Geschichten herangeführt, die ich sonst aufgrund der (altdeutschen) Sprache nie freiwillig gelesen, geschweige denn angegriffen hätte.
Für den Club habe ich mir eine Hörbuchfassung des Nibelungenlieds aus dem Jahr 2020 bei Audible herausgepickt, die gewohnt professionell von David Nathan gelesen wird. Eine Wahl, die ich eher zufällig getroffen habe, die ich mittlerweile aber nicht bereue. Denn ich wusste nicht, dass diese Geschichte aus dem Hochmittelalter als Vorlage für bekannte Fantasy-Romane wie "Herr der Ringe" oder "Game of Thrones" gedient hat (Wobei einem Parallelen aber auffallen, wenn man erst einmal begonnen hat, sich intensiver mit der Geschichte auseinanderzusetzen). Man sieht, Liebe, Verrat, Mord und Totschlag in Geschichten sind keinesfalls Erfindungen der Neuzeit :D.
Dass das Nibelungenlied nach wie vor auch abseits von Richard Wagner fasziniert, zeigt nicht zuletzt eine Film-Adaptierung von Wolfgang Hohlbeins "Hagen von Tronje", die im Oktober in den Kinos angelaufen ist und die ich mir vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt ansehen werde, wenn der Film auf den Streaming-Portalen auftauchen wird.
Tja, und das war es nun auch schon wieder. Kinder, wie die Zeit vergeht ... Nicht nur dass unser Treffen vorbei ist, nein, auch ein weiteres Jahr unseres Clubs liegt hinter uns. Das dritte, um genau zu sein, wenn meine Erinnerung mich nicht im Stich lässt.
Gleichzeitig steht der diesjährige Advent und/oder Weihnachtsrummel kurz bevor. Die Weihnachtsmärkte haben jedenfalls am Freitag offiziell aufgesperrt, die erste Weihnachtsdekoration hängt schon seit gut 14 Tagen ... In diesem Sinne wünschen wir euch gute, gesunde und halbwegs stressfreie Wochen!
Nächstes Jahr geht es dann mit dem Thema "Pistengaude" bei Gabi weiter - auf dass wir auch 2025 wieder die Ehre haben dürfen, euch mit Buchtipps mit Österreich-Bezug zu versorgen :).