Der Leseratz

Lesen oder fressen - das ist hier die Frage!

REZENSION • KRIMI, THRILLER

Jussi Adler-Olsen - Tote Seelen singen nicht

8. November 2025

Ich glaube, von allen Neuerscheinungen dieses Jahr war "Tote Seelen singen nicht" wohl die größte Überraschung für mich. Denn noch letztes Jahr habe ich "Verraten" mit dem Eindruck von meiner Liste gestrichen, dass mit der Aufklärung des Druckluftnaglerfalls von Carl Mørck in gewisser Weise eine Lese- bzw. Hör-Ära für mich zu Ende geht ...

Und ich muss zugeben, auch jetzt habe ich gemischte Gefühle, was die Ankündigung einer zweiten Staffel (was noch weitere Bücher zur Folge haben wird) angeht. Denn offensichtlich will der Verlag diese Reihe noch nicht vom Haken lassen, wohl in der Hoffnung, noch weiter damit Geld scheffeln zu können. Selbstverständlich ist das nicht neu, aber es hat in der Vergangenheit häufig einen schleichenden Tod für eine einmal wirklich beliebte Reihe bedeutet (beispielsweise die Millenium-Reihe von Stieg Larsson).

Daher wusste ich auch lange nicht, ob ich mir diesen elften Fall wirklich geben sollte oder nicht. Letztlich habe ich entschieden, dem Buch einfach in der Hörfassung eine Chance zu geben, weil ich schon in der Vergangenheit nach den Hörspielen die von Wolfram Koch eingelesenen Hörbücher gerne verfolgt habe.

Der Klappentext

Carl Mørck ist raus! Nachdem er ein Jahr unschuldig im Gefängnis verbracht hat, beschließt er, das Sonderdezernat Q zu verlassen, um mehr für seine kleine Tochter da zu sein. Als neue Kollegin im Keller der Kopenhagener Polizei taucht die toughe Französin Helena Henry auf, die ein dunkles Geheimnis mit sich herumträgt. Rose und Assad sind skeptisch. Doch die aktuelle Mordserie lässt keinen Raum für Zweifel. Das Team muss handeln, und zwar schnell, wenn es den tödlichen Rachefeldzug stoppen will. Ein furioser Thriller über die toxische Macht von Demütigungen – und den kalten Atem der Rache.

Meine Meinung

Es hat durchaus Vorteile, die Erwartungen an ein Buch eher niedrig anzusetzen. Das merke ich immer wieder, wenn ich eine Geschichte anfange, wo ich mir nicht sicher bin, ob ich sie mögen werde. "Tote Seelen singen nicht" bildet hier keine Ausnahme, denn schon die Ankündigung, dass das Sonderdezernat Q eine neue Kollegin bekommt, hat mich eher skeptisch an die Geschichte herangehen lassen.

Ich habe aber schon nach kurzer Zeit bemerkt, dass das neue Autoren-Trio (Adler-Olsen ist ja angeblich nur noch für das Konzept zuständig gewesen, während Line Holme und Stine Bolther nun die "ausführenden Organe" sind) sich endlich wieder auf das konzentriert, was meiner Meinung nach immer die ganz besondere Stärke der "Sonderdezernat Q"-Reihe war: Die Cold Cases. Jene alten Fälle, deren Akten manchmal jahrzehntelang in alten Archiven liegen, ohne jemals geschlossen werden zu können.

Zwar reicht die Komplexität des neuen Falls lange nicht mehr an die der ersten Bücher heran, aber es macht trotzdem Spaß, den beteiligten Figuren durch die Geschichte zu folgen und abwechselnd ihren Blickwinkel auf die Ereignisse zu bekommen. Auf diese Art und Weise habe ich auch lange Zeit eine gewisse Sympathie für den Täter mitbringen können (Auch seine Sicht der Dinge bekommen wir mehr als einmal präsentiert), obwohl er fast wortwörtlich über Leichen geht, um seine Ziele zu verwirklichen.

Auch das neue Team hat mir sehr gut gefallen, zwar fand ich Rose hier über weite Strecken ziemlich anstrengend, aber Assad und Helena raufen sich nach kurzer Zeit sehr erfolgreich zusammen, während Carl und Gordon kleine Gastauftritte und zumindest ein wenig zu den Ermittlungsergebnissen beitragen. Hier habe ich zwischendurch echt ein wenig nostalgische Gefühle bekommen :D. Helena schleppt aber auch ein Geheimnis mit sich herum, was hier nur angerissen wird, vermutlich wird es hier erst in einem der nächsten Bände mehr Infos geben ...

Ein wenig kritisch sehe ich allerdings die Entwicklung der Handlung an sich. Erfahrene Thriller-Leser:innen dürfen hier keine großen Überraschungen erwarten, die Geschichte bewegt sich innerhalb gewisser Bahnen, die in diesem Genre vertraut sind. Ich würde "Tote Seelen singen nicht" in diesem Zusammenhang nicht als vorhersehbar bezeichnen, das nicht, aber die Geschichte wirkt auf mich eher so, als ob sie von Anfang bis Ende anhand einer Schablone durchkonstruiert worden wäre, die bis auf Kleinigkeiten wenig Spielraum für Abweichungen lässt ...

Möchte ich "Tote Seelen singen nicht" nun empfehlen? Ich denke, wer so wie ich mit den letzten zwei, drei Büchern nicht so viel anfangen konnte, wird sich über dieses neue Buch freuen, da es zu alter Stärke zurückfindet. Man darf sich allerdings keine Geschichte erwarten, die an die Komplexität der allerersten Bücher heranreicht ...

Zum Hörbuch

Wolfram Koch ist der Stammsprecher der deutschen Hörfassungen der "Sonderdezernat Q"-Reihe. Ich habe nach dem Wechsel von den Hörspielen zu den Hörbüchern zwar etwas gebraucht, um mich an ihn zu gewöhnen, aber mittlerweile möchte ich seine ruhige und professionelle Sprechweise nicht mehr missen!

Mein Fazit

"Tote Seelen singen nicht" ist ein solider und gut umgesetzter Thriller, die Geschichte um das "Sonderdezernat Q" deutlich besser fortsetzt, als ich erwartet hatte. Trotzdem sollte man nicht den Fehler begehen und das Buch mit den allerersten Büchern der Reihe vergleichen - es würde daneben doch verlieren ...

  • ★★★★☆
  • Hörbuch
  • 1132 Minuten
  • Der Audio Verlag
  • 978-3742435491