Der Leseratz

Lesen oder fressen - das ist hier die Frage!

REZENSION • HORROR

Ira Levin - Rosemarys Baby

27. Mai 2024

Regeln sind ja bekanntlich dazu da, dass man sie bricht :). Darunter fällt für mich auch "Rosemarys Baby", denn eigentlich verirren sich Bücher aus dem Horror-Genre so gut wie nie zu mir ... Und wenn, dann meistens eher abgeschwächt in Form von Gespenster- und/oder Grusel-Geschichten. Warum habe ich jetzt eine Ausnahme gemacht? Eigentlich aus Neugier, da ich die TV-Verfilmung von dem Stoff gesehen habe. Und mich dann hinterher (wieder einmal) gefragt habe, wie viel außer dem Handlungsort noch geändert wurde ...

Eines möchte ich hier gleich einmal vorausschicken: An eine deutsche Ausgabe des Buchs heranzukommen, ist gar nicht so einfach, denn mittlerweile ist das Buch neu nur auf Englisch verfügbar. Gut, im Original erschien das Buch 1967 und die von mir hier vorgestellte Ausgabe ist von 1998, aber offensichtlich scheint das Interesse daran verloren gegangen zu sein, obwohl es laut Buchbeschreibung als Klassiker gilt.

Der Klappentext

Rosemary und Guy Woodhouse sind glücklich: Sie haben in einem der großen Häuser in der Seventh Avenue von New York ihre erste Wohnung gefunden, Außerdem ist ein Baby unterwegs - der häusliche Friede könnte perfekt sein. Doch die netten, freundlichen Nachbarn entpuppen sich als gespenstisch hilfsbereite Menschen: Sie sind Handlanger des Bösen in einem rätselhaften, wüsten Alptraum. Und Rosemarys Baby, das lang ersehnte Kind ihrer Liebe, ist ein Kind des Teufels ...

Mit der faszinierenden Geschichte von der Geburt des Teufelssohns im Manhattan unserer Tage jagt einem "Rosemarys Baby" Schauer des Erschreckens über den Rücken. Durch die gekonnte Beschwörung des Bösen im scheinbar harmlosen Alltag des modernen städtischen Lebens schuf Ira Levin eine packende Geschichte, die so furchteinflößend wie glaubwürdig ist. "Rosemarys Baby" wurde zum Klassiker, als Buch und als Film.

Meine Meinung

"Rosemarys Baby" hat seit dem ersten Erscheinen mittlerweile mehr als 50 Jahre auf dem Buckel. Selbst die letzte deutsche Fassung liegt mittlerweile schon mehr als 25 Jahre zurück. Warum betone ich das jetzt noch einmal? Weil man das dem Buch vor allem bei der verwendeten Sprache anmerkt, denn gewisse rassistische Begriffe wie das N-Wort kommen hier mehrmals und völlig unreflektiert vor ... Damals hat sich wohl niemand daran gestört, heute komme ich bei so etwas zwangsläufig beim Lesen ins Stocken.

Wer sich von diesem Buch außerdem plakativen Horror erwartet, liegt völlig falsch. Die Angst erscheint hier eher zwischen den Zeilen und durch die Phantasie, die beim Lesen angeregt wird. Die Beschreibung der Nachbarn betont noch, wie schrullig sie auf Außenstehende wirken müssen. Zwar passieren einige seltsame Dinge in Rosemarys Umfeld, aber nichts davon erregt Aufsehen, auch dann nicht, als Rosemarys heißgehegter Kinderwunsch unter ziemlich fragwürdigen Umständen endlich in Erfüllung geht ...

Levin spielt hier ziemlich geschickt mit der Frage, ob und wie viel sich Rosemary eingebildet hat und wie viel davon Wirklichkeit ist. Eine Antwort darauf bekommt man eigentlich erst innerhalb der letzten 50 Seiten - und auch das Ende ist nicht unbedingt so, wie man es sich erwarten würde. Vermutlich mit ein Grund, warum der Autor 30 Jahre nach dem Erscheinen des Romans tatsächlich eine Fortsetzung mit dem Namen "Rosemarys Sohn" geschrieben hat.

Ich gebe zu, dass ich mich jetzt nach dem Lesen tatsächlich etwas schwertue, das Buch zu bewerten. Die TV-Verfilmung, die ich gesehen habe, hat einiges "dazugedichtet", die Geschichte aber auch gleichzeitig modernisiert, besonders was den Charakter von Rosemary angeht. Rosemary wirkt im Buch auf mich als etwas ängstliche Frau, die ganz in der Rolle der Ehefrau und Mutter aufgehen will und die längste Zeit verdrängt, was um sie herum geschieht.

Trotzdem verstehe ich, dass die Geschichte eine gewisse Anziehungskraft hat. Manche Teile der Geschichte haben etwas an sich, das auch problemlos in einem modernen Setting funktionieren würde. Denn im Grunde ist die Geschichte ein Spiegel der Geburt Christi, denn so wie Jesus als Sohn einer menschlichen Frau zur Welt kommt, sucht sich auch Satan eine menschliche Frau, um seinen Nachwuchs in die Welt zu bringen ...

Mein Fazit

"Rosemarys Baby" gilt als Klassiker in der Horror-Literatur, ist aber gleichzeitig ein gutes Beispiel dafür, dass das Buch nur mäßig gut gealtert ist. Sowohl die verwendete Sprache als auch die Figur von Rosemary spiegeln das Gesellschaftsbild der 1960er Jahre wider, trotzdem hat der Stoff auf einer gewissen Ebene etwas Zeitloses, dessen Anziehungskraft ich mich nicht entziehen konnte.

  • ★★★☆☆
  • Taschenbuch
  • 256 Seiten
  • Goldmann
  • 978-3442440894