REZENSION • THRILLER
Ursula Poznanski - Die Burg
16. Februar 2024
Nach den letzten eher enttäuschenden Büchern von Ursula Poznanski habe ich dem Erscheinen von "Die Burg" ehrlich gestanden eher skeptisch entgegen geblickt, ich muss es ganz offen sagen. Auch die ersten Meinungen auf Goodreads waren eher verhalten, aber ich wollte wenigstens wegen dem Thema dem Buch eine Chance geben.
In der Vergangenheit hat die Autorin gerade mit ihren Jugendbüchern recht eindrucksvoll bewiesen, dass sie aus den IT-lastigen Themen sehr spannende Jugend-Thriller stricken kann. Ein Grund mehr, warum ich oft genug ihre Jugendbücher fast lieber mochte als ihre Krimi- / Thriller-Reihen für Erwachsene. Mit "Die Burg" bricht sie erstmals mit diesem Schema, denn bei genauerer Betrachtung erscheint mir "Die Burg" wie ein Best-of aus beiden Welten. Sprich ein Thema, das einem ihrer Jugendbücher würdig, aber definitiv an Erwachsene gerichtet ist.
Der Klappentext
Es hat ihn buchstäblich Unsummen gekostet – doch Milliardär Nevio hat die halbverfallene Burg Greiffenau nicht nur einfach instandsetzen lassen: Die unterirdischen Geheimgänge, Gruften und Verliese wurden mithilfe modernster Technik zu einer einzigartigen Escape-Welt ausgebaut. Eine künstliche Intelligenz sorgt dafür, dass das Spiel auf jede Besuchergruppe individuell zugeschnitten ist. Ob mittelalterliche Festung, Vampirschloss oder Fantasywelt – Burg Greiffenau kann alles sein, was sich die Spieler wünschen. Um sein grandioses Werk zu testen, lädt Nevio eine bunt zusammengewürfelte Gruppe von Experten ein. Niemand ahnt, dass die KI längst beschlossen hat, ihr eigenes Spiel zu spielen. Und darin ist ein Happy End nicht vorgesehen.
Was passiert, wenn eine KI über dein Schicksal entscheidet – auf eine Weise, die niemand vorhersagen kann? Wendungsreich und hochspannend spielt Ursula Poznanskis KI-Thriller mit Szenarien, die ganz nah am Puls der Zeit sind.
Meine Meinung
Poznanski verliert beim Einstieg in ihre Geschichte keine Zeit, denn man begleitet Maxim, einen der Teilnehmer, bereits bei einem ersten Testlauf, ehe sich die gesamte Gruppe zusammenfindet und zu ihrem ersten gemeinsamen Abenteuer in die Keller der Burg aufbricht. Selbst als Escape Room-Neuling hatte ich aber keine Probleme, der Geschichte zu folgen, man bekommt quasi nebenbei alles erklärt, was man wissen muss.
Schon bald kristallisiert sich heraus, dass die Abenteurer nur dann weiterkommen, wenn sie den RPCs der KI gegenüber persönliche Dinge von sich preisgeben, die sie eigentlich lieber für sich behalten hätten. Und als sie feststellen müssen, dass die KI nicht auf das zuvor festgelegte Safeword reagiert, ist guter Rat teuer ...
Besonders in der ersten Hälfte ist das Tempo in diesem Buch extrem hoch, ich habe mehrmals geächzt, geseufzt und mir mit jeder weiteren Steigerung gedacht, Himmel, was kommt denn noch? Kennt die KI überhaupt irgendwelche Grenzen? Der Trope einer KI, die sich quasi selbstständig macht und Menschen als unnütz ansieht, zieht sich ja schon seit einiger Zeit durch die Literaturgeschichte, keine Frage. Aber Poznanski gelingt es, in Verbindung mit dem klaustrophobischen, finsteren Setting in den Kellern der Burg ihrem Buch einen ganz eigenen Stempel aufzudrücken.
Ich war ja schon vorher kein großer Fan von Escape Rooms. Ich leide zwar nicht an Klaustrophobie, aber die Vorstellung, mich für ein Spiel bewusst einsperren zu lassen, gefällt mir einfach nicht. Genau damit spielt der Roman vor allem in der ersten Hälfte sehr nachhaltig, der Suspense-Level ist entsprechend hoch (Und wer mit solchen Szenarien nichts anfangen kann, sollte vielleicht lieber einen Bogen um das Buch machen).
Die zweite Hälfte nimmt dann erst einmal für einige Zeit das Tempo zurück, konzentriert sich stattdessen auf die im Keller Eingesperrten, während einzelne Kapitel die Sichtweise der Game Master beleuchten, die zumindest indirekt ebenfalls in das Spiel einbezogen werden.
Das Finale zieht das Tempo dann aber noch mal gehörig an und ich bin nach Jahren unfreiwilliger Abstinenz endlich einmal wieder dem Rausch verfallen, den ich früher so sehr an Poznanskis Büchern geliebt habe. Es werden zwar für meinen Geschmack am Ende nicht alle offenen Fragen beantwortet, aber das kann ich verzeihen. Zu sehr habe ich es genossen, endlich wieder ein Buch "im alten Stil" vor mir zu haben :).
Zum Hörbuch
Das Hörbuch liegt (wieder einmal) in einer gekürzten und einer ungekürzten Version vor und wird eindrucksvoll von Rainer Strecker gelesen. Wobei dieser Sprecher für mich absolutes Neuland war. Aber wenn ich sage "eindrucksvoll", dann meine ich das auch so.
Seine normale Sprechstimme war zwar zunächst gewöhnungsbedürftig, aber spätestens als ich das erste Mal seine Versionen der KI-RPCs gehört habe, war ich hin und weg!! Da bekommt die ohnehin schon sehr gruselige und angsteinflößende Atmosphäre noch einmal ein zusätzliche Note, die mich fast am Hörbuch festkleben hat lassen ... Ich traue mich sogar zu sagen: Das war ganz großes Kino auf die Ohren!
Mein Fazit
Wer die älteren Jugendbücher von Poznanski kennt und liebt, wird mit "Die Burg" sicher seinen Spaß haben. Ich hatte jedenfalls über lange Strecken immer wieder "Erebos"-Vibes, auch wenn "Die Burg" sich schon durch die verschiedenen Grusel-Szenarien definitiv eher an Erwachsene richtet.
Trotzdem habe ich einige Handlungselemente aus ihren Tech-Jugend-Thrillern wiedererkannt und es war mir eine echte Freude, diese auch einmal in einem Erwachsenen-Roman erleben zu dürfen. Nichts gegen Poznankis Krimi-Reihen, aber meeeeeehr davon bitte! Und das am besten als Hörbuch - denn damit entwickelt die Geschichte meiner Meinung nach noch viel mehr Sogwirkung!
- ★★★★★
- Hörbuch (ungekürzt)
- 800 Minuten
- Argon
- B0CNWFJ7FY